Das Bundesverfassungsgericht hat darüber entschieden, ob eine Transsexuelle mit einem männlichen Phänotyp eine Lebenspartnerschaft schließen darf oder heiraten darf.
Die Antragsstellerin definiert sich nach ihrem Gehirngeschlecht als Frau und wollte nunmehr nicht heiraten, da sie sich dann als Mann behandeln lassen muss. Eine Geschlechtsumwandlung wollte sie auch nicht durchführen, da sie meinte, dass sie dafür zu alt sei.
Aufhänger ist § 8 Transsexuellengesetz (TSG):
(1) Auf Antrag einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und die seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, ist vom Gericht festzustellen, daß sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, wenn sie
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die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erfüllt,
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(weggefallen)
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dauernd fortpflanzungsunfähig ist und
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sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist.
(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will; dies ist nicht erforderlich, wenn seine Vornamen bereits auf Grund von § 1 geändert worden sind.
Das Gericht hat mitgeteilt, dass 3+4 gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verstoßen und sie für zunächst nicht anwendbar erklärt. Einzige Voraussetzung ist damit nunmehr der seit drei Jahren bestehende Zwang.
Aus dem Urteil:
2. Es verstößt gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, dass Transsexuelle mit gleichgeschlechtlicher Orientierung zur rechtlichen Absicherung ihrer Partnerschaft entweder die Ehe eingehen oder sich geschlechtsändernden und die Zeugungsunfähigkeit herbeiführenden operativen Eingriffen aussetzen müssen, um personenstandsrechtlich im empfundenen Geschlecht anerkannt zu werden und damit eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründen zu können, die ihrer als gleichgeschlechtlich empfundenen Partnerbeziehung entspricht.
a) Der Verweis auf die Eheschließung zur Absicherung einer Partnerschaft ist einer transsexuellen Person mit gleichgeschlechtlicher Orientierung, die lediglich die Voraussetzungen der Namensänderung nach § 1 TSG erfüllt, nicht zumutbar. Zum einen wird sie durch die Ehe als verschiedengeschlechtlicher Verbindung rechtlich und nach außen erkennbar in eine Geschlechterrolle verwiesen, die ihrer selbst empfundenen widerspricht. Dies verstößt gegen das verfassungsrechtliche Gebot auf Anerkennung der selbst empfundenen geschlechtlichen Identität. Zum anderen wird durch eine Eheschließung offenkundig, dass es sich bei ihr oder ihrem angeheirateten Partner um einen Transsexuellen handelt, weil ihre Namensänderung und ihr dem empfundenen Geschlecht angepasstes äußeres Erscheinungsbild die Gleichgeschlechtlichkeit der Beziehung offenbart. Damit bleibt ihr verfassungsrechtlich garantierter Schutz der Intimsphäre vor ungewollten Einblicken nicht gewahrt.
b) Mit dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit ist es ferner nicht vereinbar, dass Transsexuelle zur Absicherung einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft nur dann eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründen können, wenn sie sich einer geschlechtsändernden Operation unterzogen haben sowie dauerhaft fortpflanzungsunfähig sind und aufgrund dessen personenstandsrechtlich anerkannt worden sind. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber beim Zugang zu einer eingetragenen Lebenspartnerschaft auch bei Transsexuellen mit homosexueller Orientierung auf das personenstandsrechtlich festgestellte Geschlecht der Partner abstellt und die personenstandsrechtliche Geschlechtsbestimmung von objektivierbaren Voraussetzungen abhängig macht, um dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen und ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit zu vermeiden. Der Gesetzgeber kann daher – auch über die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 TSG hinaus – näher bestimmen, wie der Nachweis der Stabilität und Irreversibilität des Empfindens und Lebens von Transsexuellen im anderen Geschlecht zu führen ist. An diesen Nachweis stellt er aber zu hohe, den Betroffenen unzumutbare Anforderungen, indem er in § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG von ihnen unbedingt und ausnahmslos verlangt, sich Operationen zu unterziehen, die ihre Geschlechtsmerkmale verändern und zur Zeugungsunfähigkeit führen. Eine geschlechtsumwandelnde Operation stellt eine massive Beeinträchtigung der von Art. 2 Abs. 2 GG geschützten körperlichen Unversehrtheit mit erheblichen gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen für den Betroffenen dar. Nach dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand ist sie jedoch auch bei einer weitgehend sicheren Diagnose der Transsexualität nicht stets indiziert. Die Dauerhaftigkeit und Irreversibilität des empfundenen Geschlechts bei Transsexuellen lässt sich nicht am Grad der operativen Anpassung ihrer äußeren Geschlechtsmerkmale messen, sondern vielmehr daran, wie konsequent sie in ihrem empfundenen Geschlecht leben. Die unbedingte Voraussetzung einer operativen Geschlechtsumwandlung nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG stellte eine übermäßige Anforderung dar, da sie von Transsexuellen verlangt, sich auch dann dem Eingriff auszusetzen und gesundheitliche Beeinträchtigungen hinzunehmen, wenn dies im jeweiligen Fall nicht indiziert und für die Feststellung der Dauerhaftigkeit der Transsexualität nicht erforderlich ist.
Gleiches gilt im Hinblick auf die in § 8 Abs. 1 Nr. 3 TSG zur personenstandsrechtlichen Anerkennung geforderte dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit, soweit für ihre Dauerhaftigkeit operative Eingriffe zur Voraussetzung gemacht werden. Zwar verfolgt der Gesetzgeber mit dieser Voraussetzung das berechtigte Anliegen, auszuschließen, dass rechtlich dem männlichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder gebären oder rechtlich dem weiblichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder zeugen, weil dies dem Geschlechtsverständnis widerspräche und weitreichende Folgen für die Rechtsordnung hätte. Diese Gründe vermögen aber im Rahmen der gebotenen Abwägung die erhebliche Grundrechtsbeeinträchtigung der Betroffenen nicht zu rechtfertigen, weil dem Recht der Transsexuellen auf sexuelle Selbstbestimmung unter Wahrung ihrer körperlichen Unversehrtheit größeres Gewicht beizumessen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Fälle des Auseinanderfallens von rechtlicher Geschlechtszuordnung und Erzeuger- beziehungsweise Gebärendenrolle angesichts der kleinen Gruppe transsexueller Menschen nur selten vorkommen werden. Zudem wird dadurch vornehmlich die Zuordnung der geborenen Kinder zu Vater und Mutter berührt. Insoweit kann aber rechtlich sichergestellt werden, dass den betroffenen Kindern trotz der rechtlichen Geschlechtsänderung eines Elternteils rechtlich immer ein Vater und eine Mutter zugewiesen bleiben beziehungsweise werden. So bestimmt § 11 TSG, dass das Verhältnis rechtlich anerkannter Transsexueller zu ihren Abkömmlingen unberührt bleibt; diese Regelung kann dahingehend ausgelegt werden, dass sie auch für diejenigen Kinder gilt, die erst nach der personenstandsrechtlichen Geschlechtsänderung eines Elternteils geboren werden.
Quelle: BVerfG: Entscheidung vom 11.01.2011, Aktenzeichen: 1 BvR 3295/07
Ich bin gespannt, wie das Urteil aufgenommen wird. In transsexuellen Kreisen sicherlich gut. Teilen des Feminismus dürfte es aber nicht gefallen, dass es letztendlich darauf ankommt, welches Geschlecht man lebt, also inwiefern man so gesehen Geschlechterstereotype aufrechterhält.
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