Nein heißt Nein: Wie dürfen Frauen kommunizieren?

Der folgende Beitrag ist Bestandteil einer Diskussion zwischen Patrick und mir. DieVorgeschichte ist hier. Es geht um „Nein heißt Nein“, wobei Patrick die „Pro“-Position vertreten wird, also ein Nein wörtlich nimmt, während ich die „Contra“-Position vertrete, also davon ausgehe, dass ein Nein ausgelegt werden kann. Wir haben uns auf eine Einführung, dann zwei Tage weitere Beiträge, dann 2 Tage Fragen an den anderen und Beiträge mit 500 Worten geeinigt. Patricks erster Beitrag ist hierzu finden, der zweite hier, der dritte hier, der vierte hier.

In diesem Beitrag geht es um die Beantwortung einer von Patrick gestellten Frage, die wie folgt lautete:

Du sagst, du hörst auf, wenn eine Frau dir deutlich zu verstehen gibt, dass sie das Nein auch so meint. Dabei bestimmst du allerdings, was für dich deutlich genug ist, und was nur als Hindernis oder Reiz gemeint ist. Was legitimiert dich dazu, Frauen vorzuschreiben, wie sie ihre Meinung richtig zu äußern haben?

Meine Gegenfrage: Was bringt dich zu der Auffassung, dass du ihre übrige Kommunikation ausblenden darfst und ihr einen Gefallen damit tust? Kommunikation verläuft immer auf mehreren Ebenen. Nur auf die wörtliche abzustellen führt eher zu Mißverständnissen als auf das Gesamtkonzept abzustellen. Insofern erklärst eigentlich du ihr, was sie sagen darf und was nicht. Sie darf nach deiner Meinung keine mehrdeutigen Signale senden. Sie sendet per Definition nur eindeutige Signale bzw. Signale, die dank deiner Vorgaben bei Zweifeln stets als Nein zu interpretieren sind und zwingend (!) zu einem Abbruch der Bemühungen führen müssen, und dies ja anscheinend selbst dann, wenn du aufgrund anderer Anzeichen davon ausgehst, dass sie vielleicht doch will. Es geht dann nicht darum, ihren Willen zu beachten, sondern das Gebot von „Nein heißt Nein“. Was ist das anderes als eine Vorschrift, wie sie zu kommunizieren hat? Du reduzierst sie in dem von Thunschen Kommunikationsquadrat auf die Sachebene, während ich ihr auch ermögliche, die weiteren Ebenen Selbstoffenbarung, Beziehungsebene und Appell zu nutzen.

Vielleicht will sie ja nur sagen, dass wir uns noch zu fremd für Sex sind, auch wenn sie ihn möchte oder das sie befürchtet, dass ich ihren Ruf schädige oder sie in Gedanken abwerte oder miteilen, dass sie noch etwas Zeit braucht. Wenn sie sich vorstellen kann, dass sie vielleicht noch Sex mit dir haben will, aber mal schaut, wie der Abend läuft, dann muss sie sich bei dir erklären und deutlich kommunizieren, weil du die Aktion abbrichst. Du schränkst damit ihre Kommunikation wesentlich mehr ein als ich.

Bei mir muss sie vielleicht einmal deutlicher „Nein“ sagen oder durch ihre Körpersprache deutlich machen, dass sie nicht will, indem sie sich löst. Bei dir muss sie sich darauf festlegen, ob sie jetzt hier und von dir diese Handlung will. Sie muss, wenn sie Nein gesagt hat dann  sagen „Okay, jetzt bin ich soweit, fass meinen Busen ruhig an“, während sie bei mir auch durch etwas heftigeres Küssen sagen kann, dass sie eine Stufe weiter ist oder neu entscheiden kann, ob sich etwas später meine Hand auf ihrem Busen nicht doch gut anfühlt.

Wenn sie mir vorher die Rolle des Handelnden zuweist, indem ich alle Eskalationsschritte und alle Grenzüberschreitungen bis dahin durchführen musste, dann kann sie sich auch nicht beschweren, wenn ich weiterhin versuche zu eskalieren. Das ist schließlich die Basis, auf der sich das Ganze entwickelt hat. Wenn sie selbst handelt wäre dies etwas anderes.

Was bringt dich zu der Vermutung, dass sie mit einem „Nein“ zwingend kommuniziert, dass die Handlung abgebrochen werden muss und sie sich durch andere Auslegungen über Gebühr eingeschränkt fühlt? Vielleicht findet sie es nicht schlimm, ihre Meinung noch einmal zu sagen. Vielleicht ist es ihr lieber, dass jemand ihr Grauzonen zugesteht, auch wenn sie dann noch mal deutlicher kommunizieren muss, wenn er sich in der Weite der Zone irrt. Wir schränken beide ein. Mein System scheint mir wesentlich flexibler an die Kommunikationsstruktur, die sie bevorzugt, anzupassen zu sein. Daraus ziehe ich die Berechtigung. Oder könntest du ihr mehrdeutige Kommunikation zugestehen?

Meine Frage an Patrick:

  • Wie weit geht deine Einschränkung durch das Nein?
    Zur Erklärung dieser Frage vielleicht ein paar weitere Fragen:

    • Darf man nach zB einer weggeschobenen Hand verbundenen mit einem Nein ohne Kommunikation darüber einen zweiten Versuch machen oder muss man zwingend nachfragen? Wie muss man konkret handeln?
    • Was ist bei Verhalten, dass man als Nein interpretieren kann, aber bei dem kein Nein gesagt wird? Reicht ein kleines Vergrößern der Augen, das auf Angst hindeuten könnte? Was ist mit der Hand im obigen Beispiel?
    • Was ist mit Äußerungen wie „Wir sollten nicht, aber ich habe schon Lust“?

 

 

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Pornografie und Sexualverbrechen

Alice Schwarzer wird nicht begeistert sein: Studien legen dar, dass Pornografie die Rate der Sexualverbrechen entweder absenkt oder gleich bleiben lässt.

A vocal segment of the population has serious concerns about the effect of pornography in society and challenges its public use and acceptance. This manuscript reviews the major issues associated with the availability of sexually explicit material. It has been found everywhere it was scientifically investigated that as pornography has increased in availability, sex crimes have either decreased or not increased. It is further been found that sexual erotica has not only wide spread personal acceptance and use but general tolerance for its availability to adults. This attitude is seen by both men and women and not only in urban communities but also in reputed conservative ones as well. Further this finding holds nationally in the United States and in widely different countries around the world. Indeed, no country where this matter has been scientifically studied has yet been found to think pornography ought be restricted from adults. The only consistent finding is that adults prefer to have the material restricted from children’s production or use.

Quelle: „Pornography, public acceptance and sex related crime: A review“ aus: International Journal of Law and Psychiatry, Volume 32, Issue 5, September-October 2009, Pages 304-314