Der Beitrag beim Piratenweib wirft nach wie vor interessante Kommentare ab. In diesem hier fragt Gwendragon:
Geschlecht und Unterschiede, alles biologisch, wird hier oft gebracht. Was mich nur irritiert, wenn es biologisch determiniert ist, warum sind genügend Männer in der Lage nicht ihre männlichen Nachkommen zu ermorden, weil diese sexuelle Konkurrenz darstellen? Warum fallen Männer auf Grund ihres biologischen Geschlechtstriebs nicht über jede fruchtbare Frau her? Gene verteilen ist schließlich evolutionär.
Ist da gar doch eine soziale Komponente vorhanden, die solche Instinkte eindämmen?
Die Frage ist eigentlich so herrlich dämlich, dass man eigentlich gar nicht dazu Stellung nehmen möchte.
Zunächst fragt man sich, wie sie dann die Existenz aller möglichen Tiere erklärt, die monogam oder in Gruppen oder ohne Infantizid leben. Davon gibt es ja durchaus genug und viele davon sind nicht intelligent genug um ihren eine diffizile Kultur zuzugestehen.
Es kann für einzelne Tiere biologisch sinnvoll sein, die Kinder von Konkurrenten zu töten. Bei Löwen ist dies beispielsweise der Fall, weil dort die männlichen Löwen einen Harem haben, den sie für eine gewisse Zeit erobern., Durch die Kindestötung werden die Weibchen schneller wieder Paarungsbereit, der männliche Löwe kann also seine Zeit, in der er das Rudel anführt, besser nutzen. Da ihm die Erhaltung der Art oder die Gene anderer genetisch egal sein können bringt das seinen Genen Vorteile und Löwen, die sich so verhalten, haben mehr Nachwuchs, als Löwen, die sich so nicht verhalten. Es lohnt sich also insbesondere für Tiere, die einen Harem halten und bei denen die Männer um diesen kämpfen.
Menschen können sich zwar auch einen weiblichen Harem halten, allerdings leben sie üblicherweise in gemischgeschlechtlichen Gruppen in serieller Monogamie (mit Fremdgehen). Es gibt kein Alphamännchen, dass offen alle Frauen monopolisiert (insgeheim mag die Quote dann für Alphamännchen besser aussehen). Demnach hätte ein Alphamännchen, dass neu an die Spitze kommt große Schwierigkeiten, einen Infantizid durchzuführen, weil im Gegensatz zu den Löwen die Männchen noch am Leben sind.
Zu Bedenken sind zudem die sehr hohen Kosten für das Weibchen aufgrund der langen Tragzeit und der Unselbständigkeit der Kinder (anders als bei den Löwen), die auch dort den Widerstand größer sein lassen.
Für den Menschen hätte sich demnach ein biologisches Infantizid-Programm nicht gelohnt. Statt dessen lohnt sich ein biologisches Prinzip, dass bei Kindern besondere Schutzreflexe anspricht. Deswegen reagiert der Mensch auf das Kindchenschema:
Evolutionsbiologisch betrachtet bedeutet dieses Aussehen für Kinder einen Vorteil. Die Eltern erkennen durch diese Merkmale die Schwäche und Hilfsbedürftigkeit des Heranwachsenden und werden dadurch zu Schutz- und Pflegeverhalten animiert. Dass dies funktioniert, wies Thomas Alley 1983 nach: Erwachsene verhalten sich gegenüber kindchenschemagerechten Merkmalen stärker schützend, fürsorglicher und weniger aggressiv, als sie sich gegenüber Merkmalen älterer Individuen verhalten.
Grund ist wohl, dass das Kindchenschema direkt das Belohnungszentrum im Gehirn, den Nucleus accumbens, anspricht. Kinder machen uns also glücklicher und wir finden sie aus biologischen gründen niedlich. Was natürlich auch dazu führt, dass wir alles andere, was dem Kindchenschema entspricht niedlich finden: Angefangen bei Teddybären mögen wir Tiere, die Proportionen haben, die dem Kindchenschema entsprechen, lieber. Dies führt auch beispielsweise zum Bambi-Effekt.
Auch der Mensch selbst haben uns diesem Schema angepasst. Die Erwachsenen, insbesondere die Frauen, haben den Effekt quasi gekapert, da die zusätzliche Niedlichkeit auch anderweitig nützlich war und ein Schutzinstinkt für die jeweilige Person sich ebenfalls positiv auswirkte. Allerdings deutet ein zu kindliches Gesicht schnell auf mangelnde Fruchtbarkeit hin, weswegen weitere Attribute hinzukommen mussten, die insbesondere auf einen passenden Östrogenspiegel hinwiesen. Bei Männern spielte Niedlichkeit keine so große Rolle, da ja auch gerade Beschützereigenschaften und Führungsfähigkeit gefragt waren, weswegen sich der Effekt nicht so stark auswirkte:
Braun, Gründl, Marberger und Scherber (2001) untersuchten, inwieweit eine Annäherung der Gesichtsproportionen erwachsener Frauen an das Kindchenschema attraktivitätssteigernd wirkt. Dazu erstellten sie durch Morphing fünf Gesichtsvariationen von sechs verschiedenen Gesichtern, deren Proportionen in 10-%-Schritten an das Kindchenschema angenähert wurden. Aus den Varianten und dem Originalgesicht wählten die Probanden das auf sie am attraktivsten wirkende Gesicht aus. 90,48 % aller Befragten wählten ihren Favoriten aus den dem Kindchenschema angepassten Varianten aus. Im Durchschnitt wurde ein Kindchenschemaanteil von 29,21 % erwählt. Daraus ergibt sich, dass die Charakteristika des Kindchenschemas die Attraktivität von Frauen erhöhen. Auch wurde festgestellt, dass der Gewinn an Attraktivität durch Angleichung an das Kindchenschema von der Attraktivität des Originalgesichts unabhängig ist. Somit kann die Attraktivität einer ohnehin schon attraktiven Frau durch Kindchenschemaattribute noch gesteigert werden.
Das Kindchenschema und seine Auswirkungen sind überall auf der Welt gleich.
Interessant ist im übrigen auch, dass Frauen die mehr Östrogen produzieren auch besser das Kindchenschema erkennen können und daher Kinder und alle Sachen, die ein Kindchenschema haben, niedlicher finden.
Junge Frauen im Alter zwischen 19 und 26 Jahren zeigten sich in diesem Test als besonders ansprechbar, aber auch einige ältere Frauen hatten ein recht gutes Gespür für die Niedlichkeit eines Babys – jedoch nur, wenn sie noch nicht in der Menopause waren. Frauen, die die Wechseljahre bereits hinter sich hatten, kamen auf ein ähnlich schlechtes Ergebnis wie die Männer. Beim männlichen Geschlecht hatte das Alter auch keinen Einfluss auf die Urteilsfähigkeit.
Die Wissenschaftler vermuten, dass wahrscheinlich weibliche Hormone die Erklärung für dieses Phänomen sind. „Je höher der Spiegel der weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron ist, desto leichter fällt es den Frauen, Niedlichkeit in Kindergesichtern zu erkennen“, so Sprengelmeyer.
Hier laufen also erkennbar biologische Programme ab. Das stärkere Ansprechen der Frauen auf das Kindchenschema dürfte auch Auswirkungen auf die Frage haben, wer beruflich aussetzt oder sich eher vorstellen kann, die Zeit mit den Kindern zu verbringen. Natürlich nur im Schnitt der Männer und Frauen.
In dem Kommentar ging es weiter:
Das wissen wohl wieder nur die Herren hier, die solche Biologie- und Evolutionsthemen an die Frau (und andere Männer?) bringen möchten. Nee, die Notwendigkeit von Mann und Frau und deren Verhaltensweisen zum Arterhalt mit Evolution zu begründen, ist mir zu einfach.
Zu einfach oder unverständlich ist es insbesondere auch dann, wenn man es gar nicht verstehen will.