Aus: Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter,S. 199
Doch was bestimmt den manifesten und latenten Text der Körperpolitik? Wie haben bereits das Inzesttabu und das vorgangige Tabu gegen die Homosexualität als generativen Momente der Geschlechteridentität betrachtet, d.h. als Verbote, die die Identität gemäß den kulturell intelligiblen Rastern einer idealisierten Zwangsheterosexualität hervorbringen. Diese Disziplinarproduktion der Geschlechteridentität bewirkt eine falsche Stabilisierung der Geschlechteridentität im Interesse der heterosexuellen Konstruktion und Regulierung der Sexualität innerhalb des Gebietes der Fortpflanzung. Die Konstruktion der Kohärenz verschleiert jede Diskontinuitäten der Geschlechteridentität, wie sie umgekehrt in den hetero-, bisexuellen, schwulen und lesbischen Zusammenhängen wuchern, in denen die Geschlechtsidentität nicht zwangsläufig aus dem Geschlecht folgt und das Begehren oder die Sexualität im allgemeinen nicht aus der Geschlechtsidentität zu folgen scheinen; d.h. in denen keine dieser Dimensionen der signifikanten Leiblichkeit die anderen ausdrückt oder widerspiegelt.
Eigentlich müsste ja dann die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare zu einer deutlichen Änderungen der Geschlechteridentität führen, denn in diesen Familien wird ja das Tabu der Homosexualität entkräftet. Das scheint aber gerade nicht der Fall zu sein. Auch das Inzesttabu scheint mir keine wesentliche Rolle zu spielen. In all diesen Punkten könnte man bezüglich der Ansichten Butlers also Test durchführen. Ich nehme auch an, dass diese bereits erfolgt sind, sie aber in der Diskussion um Butler einfach ignoriert werden.