Unterschiedliche Hormonausschüttung der Geschlechter und gesellschaftliche Einflüsse

Das Piratenweib sieht keine Geschlechter und keine Unterschiede zwischen Mann und Frau. Sie schreibt:

Im Ernst: Weiblein und Männlein sind absolut das Gleiche. Im Anfang (bis zur 6. Lebenswoche des Fetus) ist das Weib – danach entscheidet ein Hormon darüber, ob die Geschlechtsorgane innen oder außen liegen. Das war´s.

Die einen nach innen gestülpt, die anderen nach außen. Und das soll der Grund für Macht oder Ohnmacht sein? Für Liebe oder Aggression? Das ist doch geradezu lächerlich! Gebärfähigkeit ist der einzige Unterschied und vielleicht brauchen wir das in der Zukunft auch nicht mehr.

Ich habe daraufhin in einem Kommentar Unterschiede in Körper und Gehirn angeführt und zusätzlich noch etwas zur Ausschüttung der Hormone ausgeführt:

Die Geschlechtshormone sind auch nicht nur kurz in der 6 Woche aktiv, vielmehr beginnen die Geschlechtsorgane des Fötus nach Fertigstellung zB der Hoden recht schnell mit der Testosteronproduktion, die dann bis einige Zeit nach der Geburt auf dem Stand eines 12 jährigen ist, bevor sie wieder abfällt um zur Pubertät wieder anzusteigen (woraufhin sich prompt das Verhalten ändert – ist das eigentlich auch gesellschaftlich?).

Ihre Argumente dazu:

  1. Und selbstverständlich ist auch Hormonausschüttung nicht unabhängig von Außeneinwirkung. Nichts im und am Menschen ist unbeeinflusst von Umgebung, Gesellschaft, Kultur und Machtstrukturen. Nicht einmal du.

Das Hormonausschüttungen abhängig sind von der Außenwirkung hört man häufiger. Es ist ein Rettungsanker, mit dem man, selbst wenn man die Wirkung der Hormone zugeben muss, immer noch anführen kann, dass diese auch variabel sind und die gegenwärtige Hormonausschüttung gesellschaftlich bedingt ist. In anderen Gesellschaften, wahrscheinlich postpatriarchischen, hätten vielleicht Männer und Frauen gleich viel Testosteron oder Frauen sogar mehr Testosteron.

Dabei bestehen aber zwei Denkfehler.

Erstens beruht die Abgabe der unterschiedlichen Hormonen auf unterschiedlichen Organen. Männer produzieren Testosteron in den Hoden, Frauen in den Eierstöcken und der Nebennierenrinde. In den Eierstöcken werden auch die Östrogene produziert. Aufgrund dieser unterschiedlichen Produktionsorte wäre die Behauptung, dass hier die Gesellschaft schuld ist, schon erst einmal nachzuweisen. Es sind auch keine kleinen Unterschiede. Männer produzieren bis zu 20 mal mehr Testosteron als Frauen. Selbst wenn dies durch Stress an ein paar Tagen weniger wird ist der Unterschied gewaltig. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass sich die Hormonverhältnisse gesunder Männer und Frauen bei anderer Lebensweise angleichen oder umkehren.

Zweitens wird übersehen, dass die Hormone auch weitere Auswirkungen haben. Eine Frau mit zuviel Testosteron wäre unfruchtbar, ein Mann mit zuviel Östrogen ebenfalls. Zudem hat Testosteron eine androgenisierende Wirkung, vermännlicht also. Eine Frau mit zuviel Testosteron würde eine tiefere Stimme bekommen, Bartwuchs, ihre Brüste würden schrumpfen und sie würde mehr Muskeln aufbauen. Ein Mann mit zuviel Östrogen bzw. weniger Testosteron würde Brüste bekommen, seine Hoden würden schrumpfen, die Muskeln zurückgehen etc.

Kurzum, man würde die Effekte einer allgemeinen Hormonangleichung deutlich merken und sie würde zum Aussterben der Menschheit aufgrund von Unfruchtbarkeit führen.

Unterschiede im Gehirn von Mann und Frau

Im Gehirn von Mann und Frau finden sich ebenso wie beim restlichen Körper erhebliche Unterschiede die zu einer anderen Ausprägung von Eigenschaften führen.  Hier ein erster kleiner Überblick, der sich sicherlich noch erweitern lässt.

  • Frauen haben ein anderes Verhältnis von grauer zu weißer Substanz,
  • Frauen haben ein komplexeres Faltenmuster im superiofrontalen und parietalen Kortex,
  • das Gehirnvolumen ist unterschiedlich,
  • Geschlechtsunterschiede in der Größe des Neokortex sind bereits schon wenige Jahre nach der Geburt sichtbar,
  • Sexualhormone entfalten während der frühen Gehirnentwicklung unumkehrbare Wirkungen auf die Gehirnmorphologie,
  • es zeigen sich anatomische Sexualdimorphismen vor allen in Hirnregionen, in denen die Dichte der Androgenrezeptoren sehr hoch ist.
  • Weitere Unterschiede sind in den  kortikalen Subregionen vorhanden.
  • Bei Männern ist das Planum temporale, dass mit Sprachprozessen in Verbindung steht, auf einer Gehirnseite größer (links oder rechts), während bei Frauen diese Asymetrie deutlich geringer ist oder ganz fehlt.
  • Genau anderes herum ist es beim Sulcus centralis.
  • Der Corpus callosum, der die beiden kortialen Hemosphären miteinander verbindet, zeigt Geschlechterunterschiede,
  • alle Bereiche im Gehirn, die Rezeptoren für Sexualhormone haben unterscheiden sich erheblich zwischen Mann und Frau. Männer und Frauen verarbeiten auch Pheromone im Gehirn anders.
  • Die Amygdala ist bei Männern deutlich größer als bei Frauen.
  • ein Ausfall bestimmter Gehirnregionen wirkt sich bei den Geschlechtern anders aus. Männer haben zB häufig spezialisierte Bereiche, so dass ein Ausfall dieser deutlichere Schäden hinterlässt.
  • Es zeigen sich erhebliche Unterschiede im sprachlichen Bereich und im Bereich des räumlichen Denkens. Männer schneiden zB bei mentalen Rotationstests deutlich besser ab als Frauen.
  • Frauen schneiden in der Feinmotorik und der Sprache besser ab als Männer.
  • Männer sind auch an beiden Seiten des Intelligenzbereiches häufiger vertreten. Es gibt mehr männliche Idioten, aber auch mehr männliche Genies.

Die Angaben sind größtenteils dem Buch Lauterbacher/Güntürkün/Hausmann, Gehirn und Geschlecht, Neurowissenschaft des kleinen Unterschiedes zwischen Mann und Frau, 2009, entnommen.