Gehirngeschlecht und Normalverteilung

In einer Diskussion auf dem Blog des „Gurkenkaisers“ (Update: Die Diskussion ist inzwischen gelöscht) ging es in den Kommentaren darum, inwieweit das Geschlecht biologisch ist und dadurch insbesondere auch das unterschiedliche Interesse von Frauen und Männern an verschiedenen Studienfächern erklärbar ist. Ich meinte hierzu:

Wenn Frauen ein Gehirn haben, dass gut in zwischenmenschlichen Bereichen ist und Männer ein Gehirn haben, dass gut in sachlichen Bereichen ist, dann werden Frauen eher Berufe mit Menschen und den Beziehungen unter diesen ergreifen und Männer eher solche mit einem hohen Abstraktionsgrad und Sachbezug, wie eben technische Bereiche.

Ob die zwischenmenschliche Beziehung dann eher das Versorgen der Kinder in einer Steinzeitgruppe oder in einem kindergarten ist, oder im Bereich Krankenschwester, Lehrerin oder Sozialarbeiterin und ob der technische Bereich die Herstellung eines Faustkeils oder aber das Erstellen von Computercode oder einer komplizierten Maschine ist, ist dann erst einmal egal.

Eine Frau wandte ein, dass sie Physik studiert, demnach also meine These falsch sein müsste. Hierzu erwiderte ich:

Klar ist das möglich. Die Betrachtungen gelten über den Schnitt nicht für das Individuum. Warum das so ist hat mit Hormonen und pränataler Verdrahtung zu tun. Die Geschlechter sind nicht starr ausgerichtet, sondern bilden zwei Gaussche Verteilungskurven um die Geschlechterrollen. Du bist eben mehr am Rand.

Der dortige Kommentator Andreas meinte daraufhin:

Christian, du weisst doch rein gar nichts ueber Gauss’sche Glockenkurven, das faengt schon einmal mit den Voraussetzungen an, die Folgen von ‘Zufallsvariablen’ erfuellen muessen, um gegen ‘Gauss’sche Glockenkurven’, also die Normalverteilung, zu konvergieren, kennst du diese Voraussetzungen, Christian, hm? Und weisst du auch, welche Modelle Gauss’sche Glockenkurven erzeugen, hm? Richtig, die Brown’sche Molekularbewegung modelliert als N-Sphaere vom Radius N, wo N -> unendlich und man die Projektion der Geschindigkeiten auf die erste Koordinate betrachtet. Oder fuer Muenzwuerfe, oder Wuerfel. Und jetzt erzaehle mir doch noch einmal, wer ‘bewiesen’ hat, dass menschliche Geellschaften und Individuen sich so verhalten? War das einer deiner kleinen wissenschaftlichen Westentaschenmachos? Wieviele Semester Mathematik hast du oder eines deiner Vorbilder studiert, Christian, ein Wochenende im frauenlosen Suff?

Nachdem der Gurkenkaiser deutlich gemacht hatte, dass er diese Diskussion für seinen Blog unpassend findet, geht es nun hier weiter.

Andreas fragte (um einige Beleidigungen gekürzt):

welche Bedingungen muessen denn Zufallsvariablen nun erfuellen, um gegen Gaussglocken zu konvergieren, werdet ihr das irgendwann herausfinden? Erklaer’s mir doch einfach, Christian

Hier also ein paar kurze Ausführungen dazu:

Die Abweichungen der Werte vieler naturwissenschaftlicher Vorgänge vom Mittelwert lassen sich durch die Normalverteilung entweder exakt oder wenigstens in sehr guter Näherung beschreiben. Soweit so unstreitig.

Jetzt zu den Grundlagen, stark vereinfacht dargestellt. Der Mensch hat eine Programmierung des Gehirns, die man grob in männlich oder weiblich einteilen kann. Die Programmierung oder Verdrahtung erfolgt pränatal im Mutterleib. Dabei sind in Mann und Frau prinzipiell die „Baupläne“ oder „Arbeitsausführungsschritte“ für beide Gehirne gespeichert (ähnlich wie beim Busen, den auch ein Mann entwickelt, wenn man ihm genug Östrogen gibt). Die „Entscheidung“, ob Typ A oder Typ B gebaut wird, wird nach dem Testosterongehalt im Blut bestimmt. Dies klappt üblicherweise, weil Jungen Hoden haben, die bereits im Mutterleib ihre Funktion aufnehmen und den Fötus mit Testosteron versorgen (zusätzlich mit Testosteron, dass die Mutter zur Entlastung des Kindes zur Verfügung stellt. Allerdings ist der Prozess störanfällig: Die Mutter kann zu wenig Testosteron bereitstellen, das Kind selbst kann zu spät oder in zu geringen Ausmasse oder zu kurz Testosteron bereitstellen, die Rezeptoren können das Testosteron nicht erkennen etc. Dies alles kann dazu führen, dass die passende Programmierung nur teilweise oder abgeschwächt erfolgt.

Dieser biologische Prozess erzeugt die Normalverteilung, die man wiederum mit Fragebögen und Tests messen kann. Zudem kann der Wert des pränatalen Testosteron auch über das Verhältnis der Finger zu einander (Digit Ratio) bestimmt werden. (vgl. zB auch diese kleinere Studie)

Dies ergibt dann ein Bild wie das folgende:

Das Bild habe ich aus „Asendorpf, Psychologie der Persönlichkeit, Springer Verlag, 2007„, der Begleittext stützt meine Ausführungen hier.

Weitere Studien, die die oben dargelegte Erklärung stützen: