Poststrukturalismus

Die philosophische Grundlage des Feminismus neuerer Prägung nach Judith Butler etc. bildet der Poststrukturalismus.

Hier findet sich die Grundlage der Gestaltung durch Sprache.

Aus der Wikipedia zum Poststrukturalismus:

Der Begriff Poststrukturalismus kennzeichnet unterschiedliche geistes- und sozialwissenschaftliche Ansätze und Methoden, die Ende der 1960er Jahre zuerst in Frankreich entstanden und die sich auf unterschiedliche Weise kritisch mit dem Verhältnis von sprachlicher Praxis und sozialer Wirklichkeit auseinandersetzen. Maßgeblich ist dabei die Einsicht, dass die Sprache die Realität nicht bloß abbildet sondern mittels ihrer Kategorien und Unterscheidungen auch konstituiert. Typischerweise ist mit dieser Perspektive auch eine Abkehr von einer objektivistischen Sicht auf die Gesellschaft verbunden, die soziale Tatsachen als notwendig ansieht; stattdessen wird die Kontingenz gesellschaftlicher Entwicklungen betont.

Da haben wir schon einiges drin: Sprache gestaltet die Welt und es gibt keine objektiven Fakten mehr, sondern alles ist wandelbar. Es ist verständlich, dass Anhänger dieser Auffassung mit Fakten aus der Biologie nichts anfangen können, weil sie eben bereits die Grundannahme ihrer Denkrichtung umstoßen: Wenn alles durch Sprache gestaltbar und nichts fest ist, dann kann es keine biologischen Fakten geben.

Weiter aus der Wikipedia:

Oftmals wird in Anknüpfung an strukturalistische Konzepte, insbesondere der Semiotik, das Verhältnis von (sprachlichen) Zeichen (Signifikanten) und Bedeutungen (Signifikaten) problematisiert und das Augenmerk auf die Veränderbarkeit sprachlicher und diskursiver Strukturen gerichtet. So postulieren viele Poststrukturalisten – insbesondere im Gefolge der Derrida’schen Dekonstruktion und der Foucault’schen Diskursanalyse –, dass Bedeutungseinheiten stets nur als Effekt vorgängig gezogener Differenzen (vgl. Derridas Konzept der Différance) gebildet werden können,[1] wodurch die Konstruktionsbedingungen von Sinn und damit zugleich die Prekarität und Veränderbarkeit von Sinnkonstruktionen stärker in den Blick geraten.

Gesellschaftliche Strukturen, Wissensordnungen und kulturelle Formationen (Diskurse), so eine Voraussetzung der meisten Poststrukturalisten, sind grundsätzlich mit Machtformen verknüpft, welche deren Geltung und hierarchische Ordnung etablieren und dazu Herrschaftsverhältnisse produzieren und stabilisieren. Ein zentrales Motiv ist daher für viele Poststrukturalisten, wie derartige Herrschaftsordnungen durch subversive (unterlaufende) und interventionistische (eingreifende) Praktiken verändert oder zumindest für kreative Neupositionierungen genutzt werden können. Eine zentrale Rolle spielt dabei auch die Analyse von Massenmedien, Populärkultur und Alltagspraktiken, wie sie insbesondere durch die Disziplin der Cultural studies analysiert werden. Wichtige Theoretiker in diesem Zusammenhang sind Stuart Hall und John Fiske aus dem Umfeld des britischen Centre for Contemporary Cultural Studies. Auch im Kontext des Postkolonialismus und der Queer-Theorie sind Fragen nach der Dekonstruktion von diskursiven Machtverhältnissen von zentraler Bedeutung.

Zahlreiche poststrukturalistische Ansätze kommen in der Kritik an bestimmten klassischen Begriffen von Metaphysik, Subjekt oder Rationalität überein. Traditionelle mit diesen Begriffen verbundene Positionen werden dabei oft als totalitär, patriarchal, diskriminierend, ethnozentrisch sowie als „substantialisierend“ bzw. „naturalisierend“ (im Sinne von „Identität als natürliche Eigenschaft festschreibend“) oder gar als Ausdruck eines westlichen „Logozentrismus“ kritisiert.

Der Poststrukturalismus setzt also letztendlich voraus, dass alles durch Diskurse und sprachliche Mittel konstituiert ist, diese Grundthese wird dann für die einzelnen Bereiche nicht mehr selbst hinterfragt. Das dürfte der eigentliche Fehler sein, der zu vielen Fehlinterpretationen beiträgt.

Dabei sehe ich es durchaus so, dass eine Diskursanalyse sinnvolles an Tageslicht bringen kann, wenn man sieht, wie in dem jeweiligen Diskurs mit den Fakten umgegangen wird und was uns dies über die Macht und die Personen verrät. Was gesagt und was nicht gesagt wird, kann gerade wenn man weiß, wie es wirklich war, vieles verändern. Und natürlich kann der Diskurs und die Art, wie er geführt wird, einiges verändern und das Verhalten von Menschen steuern, den einen Macht geben und die anderen unterdrücken. Eine Welt wie in dem Roman 1984 erscheint mir zumindest den grundsätzlichen Steuermechanismen nach nicht unvorstellbar und natürlich erfolgt auch gerade in Diktaturen eine gewisse Steuerung durch Propaganda etc. Aber das bedeutet nicht, dass Gesellschaften beliebig sind. Die Propaganda beispielsweise baut üblicherweise darauf auf, bestimmte Personen aufzuwerten und mit Status zu versehen und andere Personengruppen abzuwerten. Das sind aus der Natur des Menschen gut erklärbare Leitinstrumente. Natürlich verrät uns die Darstellung des Führers über Macht. Aber es macht seine Machtinstrumente nicht beliebig.

Genauso verrät uns der Umgang der Geschlechter untereinander etwas über Macht. Wenn die Rolle des Mannes überhöht und mit zusätzlichen Wert versehen wird, dann erfolgt dies sicherlich über sprachliche Mittel. Aber es konstruiert deswegen die Rolle des Mannes nicht zwangsläufig gleich mit.

Um zu erfahren, was an der Rolle konstruiert ist muss man sich zunächst mit den Grundlagen der Geschlechter beschäftigen und kann die Konstruktion nicht einfach voraussetzen.

Der Kritikabschnitt in der Wikipedia ist recht kurz gehalten:

Der Poststrukturalismus wurde sowohl als Ganzes wie in einzelnen seiner Vertreter von verschiedensten Seiten kritisiert. Bekannt sind beispielsweise die Einwände von Jürgen Habermas und Manfred Frank und ein von Alan Sokal unternommenes Experiment: Dieser erwirkte in einer Zeitschrift, die sich poststrukturalistischen Theoriebildungen widmete, die Veröffentlichung eines Textes, der in Anlehnung an Stilformen einiger Poststrukturalisten verfasst war, aber nur Unsinn enthielt, was nach Sokal die mangelhafte intellektuelle Redlichkeit der gesamten Bewegung belege.

Ein kurzer Auszug aus der  Sokal-Affäre:

„Tiefe konzeptionelle Veränderungen innerhalb der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts haben die kartesianisch-newtonsche Metaphysik untergraben . . . Dadurch wurde immer deutlicher, dass die physische Realität, nicht weniger als die gesellschaftliche, im Grunde ein soziales und sprachliches Konstrukt ist, dass wissenschaftliche Erkenntnis alles andere als objektiv ist, sondern die herrschenden Ideologien und Machtverhältnisse der Kultur, die sie hervorgebracht hat, widerspiegelt und verschlüsselt.“

Das ist das Schöne am Postrukturalismus:  Man kann einfach alles mit ihm begründen, weil man sich um Fakten nicht mehr kümmern muss. Weil die herrschende Ideologie und die herrschenden Machtverhältnisse die Realität nicht ausblenden kann, eine utopische Welt aber frei davon ist, wird die herrschende Ideologie und die herrschenden Machtverhältnisse meist in irgendeiner Form mit den Fakten übereinstimmen, die man dann als Konstrukt eben dieser Machtverhältnisse darstellen kann und dann seine Utopie dagegen setzen kann.

Genau diese mangelnde Erdung macht meiner Meinung nach den Postrukturalismus so gefährlich. Er muss nicht mehr überprüfen, ob seine Grundlagen stimmen, ob die Fakten seine Theorien unterstützen, weil es keine Grundlagen und keine Fakten mehr gibt, wenn alles ein Konstrukt ist. Alles ist bezogen auf die Geschlechterdebatte ein Kampf der Geschlechter als Gruppen gegeneinander um die Konstruktion, die ihnen Macht gibt.

Das spiegelt sich ja auch in verschiedenen Aussagen hier wieder, in dem es um Subjektivität in der Geschlechterdebatte ging. Vielleicht ist es dieses Element, was poststrukturalistische Ansätze aus meiner Sicht in die Nähe der Ideologie bringt.